Was hat Kampfkunst mit Reiten zu tun?
Diese Frage ist durchaus berechtigt! Möglicherweise können die Aufsätze, die ich ab jetzt monatlich veröffentliche, ein wenig Aufklärung schaffen.
Mein oberster Grundsatz in der Kampfkunst ist der Satz. „ Der beste Kampf ist der den man nicht führt“. Übertragen auf die Reiterei bedeutet das, dass ich das was ich mir mit dem Pferd erarbeiten möchte ohne jeden Druck und vor allem ohne Kampf erreichen sollte.
Denn die nächste Tatsache ist: „ Druck erzeugt Gegendruck“. Aus dem Blickwinkel des lernenden Reiters ist damit gemeint, dass nicht das Erzwingen einer Lektion das Ziel sein darf sondern der respektvolle Umgang mit dem Trainingspartner, in der Reiterei eben das Pferd.
Nur wer lernt zu fühlen wird den nächsten Schritt gehen können. Der bedingt, je nach Anforderung und Leistungsvermögen des Trainingspartners manchmal unzählige Wiederholungen und nicht selten das Zurückgehen um einen oder mehrere Schritte. In der Kampfkunst hat der die oberste Stufe erreicht, der nicht mehr nachdenken muss welche Technik auf die nächste zu folgen hat sondern wer das erfühlen kann, eigentlich der, der in der Lage ist es einfach geschehen zu lassen. In der Kampfkunst nennt man das WuWei. Es bedeutet „handeln ohne zu handeln. Damit ist nicht gemeint sich tatenlos treiben zu lassen, auch nicht im Umgang mit dem Pferd. Vielmehr ist damit gemeint, dann einzugreifen wenn es nötig ist und es ansonsten einfach geschehen zu lassen. Wenn ich also eine Lektion mit dem Pferd erarbeite sollte ich einen Level erreicht haben der mir WuWei möglich macht. Der Partner Pferd kann mir nicht sagen, wenn ich schlecht vermittle. Also kann ich das nur selbst wenn ich einen hohen Level erreicht habe oder von einem Lehrer geführt werde der diesen Level hat.
Wer glaubt, nach einem, zwei oder drei Jahren des Übens in der Kampfkunst etwas erreicht zu haben ist auf einem Irrweg. Richtig ist, dass man in dieser Zeit die Techniken erlernen kann, anwenden aber noch lange nicht. So verhält es sich auch in der Reiterei. Die richtigen Hilfen kann man in angemessener Zeit erlernen aber das Umsetzen am Pferd ist ein langer, steiniger Weg, nicht umsonst gilt man in der Reiterei in den ersten drei Jahren als Anfänger. In der Kampfkunst ist jeder unter dem Schwarzgurt ein Schüler. Seriös wir der erste schwarze Gürtel nach mind. fünf Jahren des intensiven Übens erreicht. Auf dem langen Weg voran zu kommen bedeutet das Üben und nochmals Üben und ein guter Lehrer.
Ein guter Lehrer ist sowohl beim Reiten als auch in der Kampfkunst eine oftmals ernüchternde Suche. In beiden Betätigungen betritt man die Bühne als „Nichtwissender“. Man geht zu einem Lehrer weil er oder sie einem durch Mundpropaganda empfohlen wurde. Viele nehmen bei einem Lehrer Unterricht weil es alle aus dem Bekanntenkreis oder dem Stall tun. Weil er oder sie durch Wettkampferfolge von sich reden machte. Damit ist aber nicht sichergestellt, dass Mensch und Tier zum Lehrer passen und umgekehrt.
Die Umgebung in der ich mich mit meinem Pferd aufhalte ist von fundamentaler Bedeutung. Das ist zu vergleichen mit der Schule in der ich lerne. Der große Unterschied ist dabei, dass ich als Kampfkunstschüler den Ort des Lernens nach einer Trainingseinheit wieder verlassen kann. Einen Stall und eine Reiter-gemeinschaft nicht so ohne weiteres. Mein Trainingspartner Pferd muss dort leben, 24 Stunden am Tag. Wenn ich mein Pferd also wirklich als Partner verstehe, dann versuch ich es nach seinen Bedürfnissen unterzubringen. Dem Pferd das zu geben was es benötigt, um glücklich zu sein, es wird mir das durch Zuneigung und Kooperationsbereitschaft mehrfach zurückgeben.
Jeder Kämpfer und jeder Reiter sollte lernen mit dem Herzen zu denken. Schafft er oder sie das, ist der größte Schritt auf dem langen Weg geschafft.
Sifu Richard Feigel