Wudang und Shaolin
Wenn
ich mit wenigen Worten beschreiben müsste was die Überschriften bedeuten,
wählte ich die nachfolgenden Erklärungen.
Wudang
zentral China, Taoismus, innere Kampfkunst, neijiaquan
Shaolin
Nord und Süd, Buddhismus, äußer Kampfkunst, waijiaquan.
Jetzt
seid ihr vermutlich genauso schlau wie nach dem lesen der Überschrift??? Ich
versuche nun diese Schlagwörter so zu erklären, dass sowohl der Kampfkunst wie
auch dem Verständnis Tribut gezollt wird. Es ist keine Wertung wenn ich in dem
nachfolgenden Text mit dem Shaolin beginne. Lediglich die alphabetische
Reihenfolge hat mich das tun lassen.
Nord-Süd
Shaolin:
Alleine
das sorgt schon für etwas Verwirrung. Es sollte mir aber gelingen einen Beitrag
zu leisten hier für Aufklärung und Verständnis zu sorgen.
Süd Shaolin
Fangen wir also an in der
Provinz Fujian. Dort soll sich das Kloster der Süd-Shaolin befunden haben. Bis
ins 18. Jahrhundert existierte hier ein Kloster oder zumindest Überbleibsel
davon. Überbleibsel deshalb weil dieses Kloster der Legende nach vom Kaiser
Kangsi im 17. Jahrhundert zerrstört wurde. Der genaue Ort aber nicht bekannt,
da mindestens drei Orte als der "Standort" Anspruch erheben.
Verschiedene
Kampfkunsstile haben der Überlieferung nach ihren Ursprung im südlichen
Shaolinkloster.
Ebenso ist es im Bereich des
Möglichen, dass von diesem Kloster verschiedene Kampfkünste ihren Weg über das
Meer nach Taiwan, Japan und Korea fanden. Es gestaltet sich als fast unmöglich
hierzu echte Beweise zu finden, denn wie so vieles in den Kampfkünsten, ist
vieles auf Überlieferungen basierend und kann kaum schriftlich belegt werden.
Nord-Shaolin
Das
nördliche Shaolin Kloster liegt in der Provinz Henan. Wenn man die genaue
chinesische Schreibweise übersetzt kommt man auf etwas unterschiedliche
Bedeutungen des Namens „Shaolin“. Die Treffendste dürfte aber die Übersetzung
mit der Lage des Tempels sein. „Tempel im Wald am Berg Saoshi“
Ende
des 5. Jahrhunderts nach Christus wurde der in Indien geborene Mönch Batu vom Kaiser der nördlichen
Wai-Dynastie mit Geld ausgestattet. Batu
zog aus um mit diesem Geld ein Zentrum für die Übersetzung
buddhistischer Texte zu gründen. Er wählte dafür den Berg Saoshi im Songshan
Gebirge. Mehrere berühmte buddhistische Gelehrte zog es in der Folge an diesen
Ort, nicht zuletzt fand Bodhidharma seine neue Heimat, nachdem er Teile Chinas
durchquerte. Das Kloster fand in den folgenden Jahrhunderten großes Ansehen und
Berühmtheit. Mit der Ankunft von Bodhidharma, Anfang des 6. Jahrhunderts sollen
auch die Kampfkünste Einzug in das Kloster gefunden haben.
Bezüglich
der Kampfkünste und deren Ursprung in Shaolin gibt es aber folgendes zu
bedenken. Shaolin wird auch der Ursprung von Tai-Chi wie auch Qigong
zugeschrieben. Da dies aber eindeutig innere Kampfkünste sind kann das
eigentlich nicht stimmen. Nicht zuletzt durch das Aufdecken der Fälschung des
Buches Yi Jin Jing im Jahre 1930.
Dieses Buch wird immer wieder als Quelle für die Entstehung der Kampfkünste
genannt. Unzweifelhaft ist aber dass ihn Shaolin kämpfende Mönche lebten, die
auch den Kaisern Unterstützung leisteten. Kämpfende Mönche gab es dort aber
schon lange vor Bodhidharma bzw. Batu und damit wird die These bestätigt, dass
Shaolin ursprünglich taoistisch war und durch den Siegeszug des Buddhismus
übernommen wurde.
Besondere
Bekanntheit erlangte das Nord-Shaolin Kloster in Verbindung mit den
Kampfkünsten im Westen durch die Fernsehreihe Kwai Chang Caine die aus den 70er Jahren stammt. In der Folge
entstanden unzählige sogenannte „Eastern“ die ihren Siegeszug antraten. Ich
möchte hier nur zwei Darsteller nennen. Bruce Lee (ursprünglich Wing Chun Kuen
= Süd Shaolin) und Jet Lee (sehr viel Baguazhang = Wudang Kampfkunst = innere
Kampfkunst)
Mit
dem Hype um Shaolin entstanden um das ursprüngliche Kloster eine Unmenge von
Kung Fu Schulen. Alle behaupteten das ursprüngliche Wushu zu lehren. Tatsache
ist aber, dass die Qualität der dortigen Lehrer vielfach den Beitrag nicht Wert
waren den sie verlangten. Weder die Werte des Shaolin noch die das dort
gelehrte Wushu wurde in diesen „Wildwuchs Schulen“ gelehrt. Dies führte dazu,
dass Anfang des 21.Jahrhunderts fast alle um das Kloster liegende Schulen enteignet,
geschlossen und abgerissen wurden. Lediglich die staatliche Schule „Wushu-Gaun“ blieb bestehen und lehrt
dort Ausländern das ursprüngliche Shaolin-Wushu.
Das
ursprüngliche Shaolin Wushu ist eine körperlich sehr anstrengende Art des
Kämpfens die vom praktizierenden höchste Konzentration wie auch absolute Fitness verlangt.
Es
beinhaltet weder tänzerische Elemente noch Bewegungen wie z.B. in der Peking
Opfer.
Die
Techniken sind nicht als Selbstverteidigung geeignet weil sie auf schwerste
Verletzungen bzw. Tötung des Gegners ausgelegt sind. Vielmehr ist es für den
Übenden eine Art Meditation in sehr komplexen Bewegungen.
Der
Übende verbessert seine Bewegungen und Techniken stetig um auf ein höheres
Niveau zu gelangen. Ein Graduierungssystem gibt es aber nicht.
In den
letzten zehn Jahren wurden auch außerhalb Chinas Shaolin Tempel gegründet.
Einer davon ist sogar in Deutschland/Berlin.
Wudang
Wudang
ist kein einzelner Berg, sondern eine Bergregion mit einer Fläche von ca.
400qm. Die Region ist durchzogen von bizarren Felsen und Tälern. Der höchste
Berg ist der 1612 Meter hohe „Himmelspfeiler“.
Die Region ist mit ihren zahlreichen Tempeln, Bauwerken, Schreinen und
Einsiedeleien das Zentrum des Daosismus und Anziehungspunkt für unzählige
Pilger aus aller Welt. Daoismus ist keine Religion sondern eine sehr komplexe
Lehre vom Zusammenspiel der Elemente und die sich daraus ergebenden
Handlungsweisen. Die Lehren umzusetzen ist für uns westlich erzogene und
geprägte Menschen kaum zu verstehen und noch schwerer zu leben.
Das
Bild zeigt „die große Opferhalle“ sie ist eines der wenigen erhaltenen
Bauwerke. Einst bestand die ganze Anlage aus über 100 Tempeln, Palästen und
anderen Gebäuden. Die Anlage war mit einer Mauer umschlossen und wurde von einem 70km langen Pfad
erreicht. Mitte des 14.Jahrhunderts hatte die Anlage am Wudangshan seine
Blütezeit. In den letzten 500 Jahren sind aber viele der Gebäude verfallen. Die
wenigen erhaltenen Gebäude wurden aufwendig restauriert und werden erhalten.
Nicht zuletzt wegen der Anziehung von Touristen und der Möglichkeit der
Daoisten in China ihre Verehrungen wieder Leben zu dürfen. Einer dieser
Vorbilder ist der „perfekte Krieger“ Zhen
Wu. Dieser ist in der Haupthalle des Zixiaogong in dreifacher Gestalt
dargestellt. Es scheint wohl so, dass der Lauf des Lebens symbolisiert werden
soll. Zhen Wu wird als Junge, Mann
und Greis gezeigt.
Das
Wudang Gebirge ist aber nicht nur die Wiege einer Lebensphilosophie es soll
auch die Geburtsstätte der Wudang Kampfkünste sein. „Sein“ deshalb weil es sich
nicht historisch nachweisen lässt. Die Wudang Kampfkünste sind das Gegenstück
zu den Shaolin Kampfkünsten. Man
bezeichnet sie als „innere Kampfkunst“ also neijiaquan. Mein chinesischer
Lehrer und Freund für diese Kampfkünste „Meister Shen Xijing“ Gründer des
TaijiDao fasst die inneren Kampfkünste mit den drei Gruppen Chen Taijigaun, Xingyiguan und Baguazhang
zusammen. Diesen Kampfkünsten ist allen drei gemein dass nicht das Stählen des
Äußeren ein Hauptaugenmerk geschenkt wird sondern der Kultivierung des Qi. Das
Qi soll zum richtigen Zeitpunkt und in richtiger Dosierung freigesetzt werden
und damit einem Kampf den entscheidenden Ausgang verleihen. Wann ist aber der
richtige Zeitpunkt? Dies versuche ich mit dem Begriff „Wu Wei“ zu erklären.
Bevor nun ein Aufschrei die Reihen durchzieht hoffe ich „Wu Wei“ für alle
verständlich zu erläutern. Wu Wei heißt
sinngemäß übersetzt „Handeln durch nicht Handeln“. Was ist damit schon wieder
gemeint? Einfach gesprochen lässt sich das am besten mit den Worten „zum
richtigen Zeitpunkt das richtige zu tun“ erklären. Der richtige Zeitpunkt ist
immer dann erreicht wenn wir aufgehört haben verbissen um etwas zu kämpfen.
Genau in dem Moment in dem wir diesen Zeitpunkt fühlen sind wir im „Wu Wei“. In
meiner nächsten Ausgabe werde ich innere und äußere Kampfkünste
gegenüberstellen, daher belasse ich es an dieser Stelle mit dem Versuch „Wu
Wei“ genauer zu erklären.
Zu den
inneren Kampfkünsten gehören, wie auch zu den äußeren außer der Ausbildung zum
Kampf natürlich auch Praktiken wie Nei Dan Gong = innere Alchemie, Wu Xing Qi
Gong = das Qi Gong der fünf Wandlungsphasen und vieles mehr.
Einige
dieser Prinzipien möchte ich hier noch anführen. Die inneren Kampfkünste lehren
außer Körperschulung noch Atemschulung, Meditation und Bewusstseinsschulung,
Vervollkommnung des eigenen Charakters, Ethik als Grundlage einer
verantwortungsvollen Lebensgestaltung wie auch meditative Kalligraphie und
Musik.
An
dieser Stelle möchte ich klar bekennen, dass ich mir die meisten der
vorgenannten Prinzipien zu Eigen gemacht habe. Obwohl ich ein Mann der äußeren
Kampfkünste bin lebe ich diese Prinzipien. Sie sind für westlich erzogene Menschen
nur schwer nachvollziehbar und so stoße ich mit meiner Art zu Denken und zu
Leben immer wieder auf Unverständnis. In einer Zeit in der jeder nur an sich
selbst denkt, in der man gerne die Augen vor den Sorgen und Nöten andere
Menschen zumacht und in der niemand Verantwortung übernehmen will, außer er
kann sich damit profilieren wird Uneigennützigkeit oft missverstanden, ja nicht
einmal akzeptiert. Der Empfangende lebt oft in dem Gedanken, dass von ihm für
die Hilfe eine Gegenleistung erwartet wird. Doch es ist „Wu wei“ wenn man sieht
und fühlt wenn etwas zu tun ist. Es zeigt mir aber dass ich von meinem Ziel
noch so weit entfernt bin. Mein Streben nach dem Yin und dem Yang in einem
ausgeglichenen Zustand steht noch ein langer Lern- und Übungsprozess bevor.
Sifu Richard Feigel